Sind Antibiotika im Fleisch?
Immer wieder kursiert das Gerücht, dass in Fleisch keine Antibiotika sind. Die kurze Antwort vorab: Es sind oft Rückstände von Antibiotika im Fleisch messbar, die fast immer deutlich unter den (gesetzlichen) Grenzwerten liegen. Das sehr ernste Hauptproblem dabei sind aber nicht die Antibiotika selbst. Da solche Themen immer wieder Gemüter erhitzen, präsentieren wir hier einmal die wissenschaftliche Seite. Keine Angst, wir zeigen – wie immer – keine schlimmen Bilder.
Antibiotika für die Aufzucht von Tieren
In der Vergangenheit wurden sehr viele Antibiotika zur Aufzucht von Tieren verabreicht, da diese wachstumsfördernde Eigenschaften haben. Durch die Beifütterung mit Antibiotika verändern sich die Darmbakterien, was zu einer besseren Futterverwertung führt. Sogenannte antimikrobielle Leistungsförderer (“growth-promoting antibiotics”) wurden jedoch mittlerweile in der EU für die Tieraufzucht verboten, allerdings ohne dass es vergleichbare Alternativen gibt . Das führt insbesondere in der Schweineaufzucht zu enormen Einbußen, wenn man diese Antibiotika nicht verwendet. Unter gewissen Rahmenbedingungen, zum Beispiel zur Behandlung und Eindämmung von Krankheiten ist die Verabreichung solcher Arzneimittel jedoch möglich. Erst recht problematisch wird dabei ein “Therapienotstand”, siehe . Ein Therapienotstand kommt beispielsweise vor, wenn eine Behandlung notwendig ist, aber kein geeignetes Arzneimittel für die Behandlung zulässig ist . Solche Therapienotstände kommen wohl aufgrund der gestiegenen Kosten und Aufwände für die Zulassung von Medikamenten immer häufiger vor . Übrigens: in den USA ist weiterhin die Beigabe von Flavophospholipol als Futtermittel in kleinen Mengen erlaubt.
Nachweis von Antibiotika im Fleisch
Das Vorhandensein von Antibiotika im Fleisch von Tieren wird aktuell als wissenschaftlicher Konsens gesehen . Verschiedene Institute und Kontrollstellen konnten dies auch nachweisen . Zum Nachweis stehen dazu viele und einfache Testmethoden bereit . “Es zeichnet sich ab, dass die Antibiotika in Güllen nachweisbar sind, die mehrfach an größere Tiergruppen über das Futter verabreicht werden” . Allerdings wird aktuell aus toxikologischer Sicht das Risiko als sehr klein bewertet . Das große Problem dabei ist jedoch, dass die Medikamentengabe sich in einem Zyklus befindet. Dadurch kann es zu akkumulierten Effekten kommen: Beispielsweise wird die mit Antibiotikarückständen belastete Gülle wieder auf die Felder gebracht und gelangt dann über menschliche Nahrung wieder in den Wasserkreislauf oder über die Futtermittel direkt zu den Tieren .
Gesetzliche Grenzwerte für Antibiotika im Fleisch
Durch diverse Verordnungen wurden seit den 90er Jahren Höchstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs festgelegt . Solche Regularien würde es nicht geben, wenn man Antibiotikarückstände nicht nachweisen könnte. Allerdings sei dazu angemerkt, dass die Grenzwerte nur bei ca. 0,2% der öffentlichen Stichproben überschritten wurden . Darüber hinaus müssen Pharmakonzerne seit 2011 die Abgabemengen für antibiotisch wirksame Tierarzneien im “Tierarzneimittel-Abgabemengen-Register” offen legen. Im Jahr 2016 wurden laut Deutschem Tierärzteblatt 742 Tonnen Antibiotika verkauft . Zusätzlich regelt der nationale Rückstandskontrollplan wie häufig Stichproben entnommen werden. Bei Schweinen ist das aktuell laut BVL jedes zweitausendste geschlachtete Tier.
Obwohl die Grenzwerte nur selten überschritten werden, kann man jedoch häufig Antibiotika-Rückstände nachweisen. Das LGL Bayern hat dabei einige Proben untersucht (siehe Übersicht hier) und dabei (je nach Tierart) unterschiedlich hohe Häufigkeiten festgestellt. So konnten bei Puten in 62% der Proben Antibiotika, meist Tetracycline, nachgewiesen werden. Bei Schweinen war es in ca. 45% der Fälle. Dennoch wurden die Grenzwerte auch bei diesen Untersuchungen fast nie überschritten. Natürlich ist das fragwürdig, wenn die Kontrollen so grobmaschig sind. Aber letztendlich sind nicht die Antibiotika selbst der größte Risikofaktor.
Das eigentliche Problem: multiresistente Keime
Viel größer ist jedoch das Problem multiresistenter Keime . Als multiresistente Keime werden Bakterien oder Viren bezeichnet, die insbesondere eine Resistenz gegen Antibiotika oder Virostatika durch Mutationen entwickelt haben. Bei Erregern im Fleisch ist dies meist die Folge häufiger (und oft unnötiger) Gaben von Antibiotika. MRSA bezeichnet Methicillin-resistente Staphylococcus aureus Stämme, die gegen Methicillin (aber auch weitere Antibiotika) resistent sind. Neben MRSA gibt es natürlich weitere multiresistente Erreger, allerdings ist MRSA am bekanntesten und wird häufig stellvertretend für alle reistenten Keime im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet. Mehr zu MRSA ist hier zu finden.
Diese konnten mittlerweile auch in vielen Betrieben nachgewiesen werden . Und selbst die populären und staatlichen Medien haben das Thema bereits aufgegriffen. Frontal 21 und Germanwatch haben dort einige Proben untersucht und teils schockierende Ergebnisse gefunden: wenn 82% der untersuchten Fleischproben von Penny belastet sind, dann kann man nur noch Dr.med. Gerd-Ludwig Meyer recht geben: „Für mich brennt die Lunte.“ Durch die Resistenz von Erregern gegenüber Antibiotika ist eine Behandlungen von Infektionen nur schwer möglich. Denn sobald gängige Antibiotika nicht mehr wirken, müssen neue Wirkstoffe her. Und bis dahin sind diese Erreger nicht zu bekämpfen.
Fazit
Insgesamt gilt also: Antibiotikarückstände sind toxikologisch betrachtet bisher als unbedenklich eingestuft. Allerdings gilt es als erwiesen, dass die Gabe von Antibiotika zu Resistenzen und einem erhöhten Vorkommen multiresistenter Keime führt. Abgesehen davon ist auch unklar, wie sich Antibiotika (und weitere Medikamente) und multiresistente Keime in unseren Kreisläufen (Wasser, Nahrung) akkumulieren, vermehren und auch erhalten bleiben. Also bleibt der Verzicht auf Fleisch nicht nur die ethisch bessere, sondern auch umweltverträglichere Lösung. Und wer leckere, pflanzliche Rezepte will, kann gerne beim super leckeren Tofu-Bacon starten!
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Quellen
Links
- LGL Bayern, Untersuchungen zu Antibiotikarückständen: https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/untersuchungen-zu-antibiotikarueckstaenden-in-tierischen-lebensmitteln.pdf
- FISA, Nachweis von Flavophospholipol in Futtermitteln: https://www.fisaonline.de/projekte-finden/details/?tx_fisaresearch_projects%5Bp_id%5D=5437&tx_fisaresearch_projects%5Baction%5D=projectDetails&tx_fisaresearch_projects%5Bcontroller%5D=Projects&cHash=97f6c79f455ffbda8af3013201286d20
- BVL, nationaler Rückstandskontrollplan: https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/01_Aufgaben/02_AmtlicheLebensmittelueberwachung/05_NRKP/lm_nrkp_node.html
- ZDF, Antibiotikaresistente Keime in Discounter-Hähnchen: https://www.zdf.de/nachrichten/heute/antibiotika-keime-in-discounter-fleisch-100.html
- ZDF, Gefährliche Keime im Hähnchenfleisch: https://www.zdf.de/politik/frontal-21/antibiotikaresistenzen-im-haehnchenfleisch-100.html
- Infektionsschutz, MRSA: https://www.infektionsschutz.de/erregersteckbriefe/mrsa/#c988